Nicht, dass die Pandemie uns spaltet!

Nicht, dass die Pandemie uns spaltet!

Eine Schulgründung ist auch ohne Pandemie ein mutiges Projekt, das viel ehrenamtliches Engagement erfordert und das vor allem nur durch eine Gemeinschaft aus Eltern und pädagogischem Team gelingen kann. Mit der Genehmigung von Kinderhaus und Schulen nach nur eineinhalb Jahren Vorbereitungszeit ist uns gemeinsam ein Kraftakt gelungen, der nachweislich so in Deutschland zumindest sehr selten ist. Darauf sind wir auch ein klein wenig stolz und zudem der Überzeugung, dass wir mit unserem Gesamtprojekt (noch immer und gerade jetzt) auf einem guten Weg sind. Zugleich nehmen wir voller Sorge wahr, wie sehr die Schulgemeinschaft derzeit durch die Pandemie belastet ist.

Zu den üblichen Startschwierigkeiten einer Kinderhaus- und Schulgründung gesellt sich seit nunmehr über einem Jahr die Corona-Pandemie: Immer wieder werden wir alle mit neuen Regelungen konfrontiert, die Eltern, pädagogisches Team, vor allem die Kinder, aber auch uns als Träger vor erhebliche Herausforderungen stellen. Ohne Zweifel wären wir in der Umsetzung unserer pädagogischen Ziele längst viel weiter, doch ständig ziehen uns die sich wandelnden Umstände Zeit, Energie und auch Freude am Aufbau unserer Einrichtungen ab. Aber statt zu klagen und uns auf die Schattenseiten zu fokussieren, möchten wir weiterhin den Blick nach vorne wagen und an der Idee und erst recht an der Verwirklichung unseres Lernortes festhalten.

Eine kleine Bestandsaufnahme zeigt auf, wer am Gesamtprozess beteiligt ist und wodurch die Pandemie-Situation unser Projekt zu spalten droht.

  1. Die Landesregierung NRW. Zunächst: Wohl kaum jemand möchte in der jetzigen Situation dafür verantwortlich sein, den gesamtgesellschaftlich optimalen Weg aus der Misere vorzugeben und dann auch umzusetzen. Dass politische Entscheidungen immer von externen, innerpolitischen und individuellen Bestrebungen beeinflusst sind, ist ein Phänomen, das nicht mit der Pandemie das erste Mal sichtbar wird. Wissenschafts-, Wirtschafts-, Gesundheits-, Familien- & Bildungspolitik, Verwaltungsapparat und nicht zuletzt Wahlkampf & Kanzlerfrage sind hier nur einige Parameter, die das politische Geschehen rund um die Pandemie beeinflussen – und das vermutlich nicht gerade zuerst im Sinne des Wohles der Gesamtbevölkerung. Fakt ist jedoch, dass politische Entscheidungen „dort“, im politischen System getroffen werden (müssen) und für uns bedeutet das, dass wir diese tagesaktuell umsetzen (müssen). Als staatlich anerkannte Ersatzschule und staatlich genehmigte Kindertagesstätte befinden wir uns nicht im rechtsfreien Raum.
  2. Das pädagogische Team. Auch hier möchte wohl kaum jemand in der jetzigen Situation eine reformpädagogische Einrichtung (sei es Schule oder Kinderhaus) auf einen guten Weg bringen, in erster Linie dabei das Wohl und die Lernchancen der Kinder im Blick haben und zugleich ständig die mühsam erarbeiteten Konzepte wieder über den Haufen werfen müssen, weil neue Verordnungen neue Anforderungen für den „Alltag“ mit sich bringen. Respekt also vor der Leistung, die die Menschen mit uns hier Tag für Tag erbringen und dabei trotzdem noch unermüdlich alles geben, um für die Kinder das beste aus der Situation zu machen. Doch auch das pädagogische Team, das trotz der Begrifflichkeit „Team“ immerhin ebenfalls aus Menschen und damit aus Individuen besteht, kann selbstverständlich keine vollkommen einheitliche Position zu den aktuellen politischen Maßnahmen und Verordnungen beziehen. Professionalität und primär der Blick auf das Wohl der Kinder ermöglichen jedoch einen guten Alltag und ein einvernehmliches Miteinander im Sinne der Kinder, auch wenn er nicht frei von Pandemie-Konflikten ist.
  3. Die Elternschaft (eigentlich: Kinderhaus- und Schulgemeinschaft). Wir alle wollten (und wollen?!) für unsere Kinder eine besondere Schule und ein besonderes Kinderhaus, die individuellen Motivationen sind dabei vielfältig und jede einzelne hat ihre Berechtigung. Auf jeden Fall steht fest: Wir haben als Elterninitiative sehr viel geleistet und etwas Besonderes für unsere Kinder geschaffen. Die Pandemie stellt uns als Eltern vor große Herausforderungen, die einen finanziell, die anderen familiär, die anderen politisch und die meisten von uns mit der Sorge, wie es unseren Kindern dabei ergeht und welche Nachteile die aktuelle Situation für sie haben könnte. Diese berechtigten Sorgen scheinen die Gemeinschaft zunehmend zu spalten, der individuell unterschiedlich ausgeprägte Druck richtet sich dabei auch auf den Ort des Geschehens, nämlich auf Kinderhaus und Schule. Die temporären Schließungen der Einrichtungen stoßen auf Unverständnis oder auf Zuspruch. Maskenpflicht, Distanzunterricht, Notbetreuung und nun auch noch Testpflicht rufen ebenfalls keinesfalls homogene Reaktionen hervor – wie auch, denn alle sind unterschiedlich betroffen, da die Verordnungen natürlich nicht nur auf „Bürgerin und Bürger“ treffen, sondern immer auch auf Menschen.
  4. Die Kinder (unsere Kinder). In der Bestandsaufnahme erfolgt nun ein Wechsel der Ebene. Landesregierung, pädagogisches Team und Eltern haben die Fürsorgepflicht und möchten (hoffentlich) dem Wohle des Kindes entsprechend entscheiden. Sie tragen damit unübersehbar die Verantwortung – letztendlich natürlich auch durch ihre sehr unterschiedlichen individuellen Entscheidungen. Unsere Kinder hingegen sind die eigentlichen Leidtragenden der aktuellen Situation. Ob sie es selbst so wahrnehmen, sei dahingestellt. Doch sie können im Gegensatz zu den Erwachsenen nur mit dem umgehen, was Politik, pädagogisches Team und Eltern ihnen vorgeben. So müssen sie sich wie ein kleines Segel im Wind nach den unterschiedlichen Windrichtungen drehen und leisten dabei zum Teil mehr als wir ihnen eigentlich zumuten dürften. Sie bedauern die fehlenden Sozialkontakte, in Teilen auch Masken und Tests, doch für die wenigsten Kinder sind das die wesentlichen Probleme. Sie kommen (so denn das gerade gestattet ist) in Kinderhaus und Schule und müssen damit leben, dass ständig alles anders ist. Sie verstehen auch nicht, warum die einen zu Hause lernen und die anderen in die Notbetreuung gehen (in der ja eigentlich auch nicht unterrichtet werden darf). Sie können auch nicht die Komplexität des Infektionsgeschehens nachvollziehen, sie wissen nur, dass sie sich permanent die Hände waschen sollen und eine Maske aufziehen müssen. Doch vor allem sitzen sie zwischen den Stühlen – die sie aber nicht selbst aufstellen, sondern die von Politik, Verwaltung (und damit Träger), pädagogischem Team und Eltern platziert werden.

Endet damit (sicherlich in Teilen unvollständig) die Bestandsaufnahme, die auch aufzeigt, weshalb die Pandemie unsere Kinderhaus- und Schulgemeinschaft zu spalten oder zumindest sehr stark zu belasten droht, so wird deutlich, worauf wir unseren Blick auch weiterhin als Träger, pädagogisches Team und Eltern richten sollten: auf unsere Kinder. Wir dürfen sie nicht instrumentalisieren, denn sie haben es gerade ohnehin schon schwer genug. Wir möchten ihnen doch eigentlich „nur“ eine möglichst gute Kindergarten- und Schulzeit ermöglichen und ihnen Chancen eröffnen und daran sollten wir nach besten Kräften mitwirken. Kinder sollten nicht unnötig zum Segel unserer eigenen Windrichtungen werden. Die Bestandsaufnahme zeigt auch auf, dass genauso das pädagogische Team in diesen schweren Zeiten einen besonderen Schutz benötigt. Die Teammitglieder „machen“ die Verordnungen nicht (übrigens die Schulträger auch nicht), sie müssen sie umsetzen – und stoßen als Individuen dabei mitunter auch an ihre eigenen Grenzen. Sie können aber auch nichts an den Verordnungen ändern. Wir sollten ihnen daher die Chance einräumen, ihrem eigentlichen Ziel einer guten pädagogischen Begleitung unserer Kinder nachzukommen. Systemkritik und Unmut müssen dort geäußert werden, wo sie überhaupt etwas bewirken können – und das sind nicht die Einrichtungen Kinderhaus und Zukunftsschulen.

Zwischen den Zeilen wurde bei all den Problemlagen und misslichen Umständen vielleicht auch deutlich, dass wir uns sehr wünschen, dass die Pandemie unser zartes Pflänzchen nicht zertrampelt oder spaltet. Wir möchten daher mit allen Beteiligten gemeinsam nach vorne blicken und vor allem das Beste für unsere Kinder erreichen. Dazu brauchen wir eine Art Minimalkonsens, wie er in Gemeinschaften üblicherweise den Nährboden für das gemeinsame Ziel bildet. Allen Beteiligten sollte dabei klar sein, dass wir im Alltag aus den bestehenden Verordnungen das Beste machen müssen: Die Ideen von Reformpädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind nicht gleichzusetzen mit Revolution oder Systemgegnerschaft. „Privat“ mag jede(r) ihre oder seine Interessen vertreten, doch in Kinderhaus und Schule möchten wir vor allem einen Ort schaffen, der Entwicklung, Bildung und würdigen Umgang miteinander und mit unseren Kindern ermöglicht. Ein offener Austausch mit anderen Eltern ist immer wünschenswert, es sollte jedoch niemand bedrängt oder eingeschüchtert werden. Eine persönliche Auffassung wird nicht dadurch zur Wahrheit, dass man sie anderen aufdrängt.

Schauen wir auf die vielen positiven Dinge, die wir gemeinsam (auch und vielleicht gerade in der Pandemie) erreicht haben und vor allem auf das Potenzial, das noch in diesem Projekt steckt, so sollten wir uns von der Pandemie nicht kleinkriegen und spalten lassen: für unsere Kinder.

admin

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